Stumpis Tausendundeine Nacht

Foto: Zorro Film

Spiegel online 24.07.09 OSSIS IM ORIENT von Christian Buß

Was für ein Clash der Kulturen: In Ali Samadi Ahadis Kinokomödie "Salami Aleikum" prallen der Okzident und Orient in ostdeutscher Trümmerlandschaft aufeinander. Eine zärtliche Groteske über Frikadellenfresser, vegetarische Schlachter und andere Hanswürste.

Parallelgesellschaft nennt man das wohl: Mitten in Deutschland gibt es eine Gruppe von Menschen, die sich standhaft unseren westlichen Werten verweigert. Man spricht eine eigene Sprache, isst für unsere Verhältnisse ungenießbares Zeugs und will ein Gesellschaftssystem wiedererrichten, das von der Geschichte doch schon längst ad acta gelegt wurde. ..

…Der aufgeklärte muslimische Migrant aus dem bundesrepublikanischen Westen meidet diese Gegend jedenfalls wie ein teutonisches Jagdfest samt Wildschweinbraten. Muss er sich aber doch mal in diese uneinladende Region aufmachen, packt er sich für eventuelle Übergriffe der Steinzeitossis einen Baseballschläger in den Kofferraum - so wie das iranischstämmige Ehepaar Taheri aus Köln, bei dem sich "7000 Jahre persische Hochkultur" (Zitat Herr Taheri) mit 25 Jahren rheinischem Pragmatismus verbindet. Als sie in Oberniederwalde anrollen und ostdeutsche Ureinwohner Unverständliches schreiend zu ihrem Auto springen, verriegeln sie vorsorglich die Türen. "Sind wir hier schon in Polen?" fragt erschrocken der Ehemann.

Alter Westen und neue Bundesländer, naher Osten und mittlerer Orient: Eine schöne böse Völkerverständigungskomödie ist dem Deutsch-Iraner Ali Samadi Ahadi mit "Salami Aleikum" gelungen. So wie der kleinwüchsige Mohsen und die Ossi-Brechstange Ana hier in einer alle Körpermaße überwindenden Liebe zusammenfinden, kommen sich die Alten bei aller Sprachlosigkeit über ihre langgehegten Verklärungsversuche und Familienlügen näher.

"SALAMI ALEIKUM" (DEUTSCHLAND 2009)

Regie: Ali Samadi Ahadi
Drehbuch: Ali Samadi Ahadi, Arne Nolting
Darsteller: Navid Akhavan, Anna Böger, Michael Niavarani, Proschat Madani, Wolfgang Stumph, Eva- Maria Radoy
Produktion: Oliver Stoltz
Verleih: Zorro Film
Laufzeit: 102 Minuten
Start: 23. Juli 2009


 

Großartig, wie sich Anas Vater (Wolfgang Stumph) und Mohsens Vater (Michael Niavarani) hier bei einem Besäufnis ihre alten lamettabehangenen Uniformen vorführen. Der eine gibt den stolzen Volksarmisten, der andere paradiert als Schah-Soldat: Es salutieren sich hier die Hanswürste zweier untergegangener Armeen.

Ahadi, der zuvor mit der bundesfilmpreisgekrönten Dokumentation "Lost Children" eine extrem schmerzhafte Studie über Kindersoldaten vorgelegt hat, präsentiert seine Sottisen in der mit bunten Trick- und Musicaleinlagen beschleunigten Komödie mit einer solchen Geschwindigkeit, dass man zuweilen ihre Bissigkeit übersieht.

Welche anrührenden Geschichten da zuweilen hinter den hochbeschleunigten trivialanthropologischen Exkursionen hervortreten. Zum Beispiel, wenn in einem kaum einminütigen Flashback die traurige Jugend der Zwei-Meter-Frau Ana beschrieben wird - und damit auch ein Kapitel ostdeutscher Sport- und Kulturgeschichte. Einst wurde sie zur gefeierten Kugelstoßerin gedopt, heute weiß sie kaum, wohin mit ihrer Kraft. In einer Szene ballert sie vor Wut ein paar Eisenkugeln durch die Scheunenwand, die den zarten Mohsen nur noch stärker in seiner Liebe entflammen lassen.

So finden Ostdeutschland und mittlerer Osten in "Salami Aleikum" auf brutale und brutal ehrliche Weise zusammen. Für den alten VEB-Vorarbeiter Bergheim ist mit dieser Vereinigung immerhin die schlimmste aller vorstellbaren multikulturellen Zumutungen abgewendet worden. Erleichtert seufzt er zu seiner Frau: "Wenigstens ist er kein Wessi!"

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06.07.2009

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